The boundaries between fashion and art - Considering the intersections is most definetly the best way to describe Mahret Kupka’s work.
The berlin-based freelance writer is well-known for a lot of profound essays about contemporary and essantial themes concerning art and fashion. Furthermore she ran over three years the blog fnart.org and started recently her new blog modekoerper.de. For our MAMA ISSUE she already supported us with a great text.
For our WRONG ISSUE Mahret Kupka analysed a gender discussion which is part of her dissertation which she is working on right now.
Some extracts of her essay:
[...] "The typical girl prefers the color pink, plays with dolls, has a knack for language, loves to communicate and gets poor marks in mathematics, whereas the typical boy likes blue, is comparatively taciturn and prefers to run around outside with his buddies. No, this is nothing new, but one might have hoped that since the women’s movement, these stereotypes would have changed, that today a girl would be able to climb trees without being considered a “tomboy”, but could simply be a girl who would rather climb trees than play with dolls; that the magazine Gala wouldn’t need to quote psychotherapists to certify that the behavior of Shiloh Jolie-Pitt, the daughter of Angelina and Brad who prefers sturdy boots, baggy pants and loose shirts with neckties to sundresses and ballet slippers, “is a very healthy activity for a little girl”; that a boy could also enjoy dressing up and playing with dolls without those around him drawing conclusions about his future sexual orientation." [...]
[...] "We live in an era of “porno”, in which many believe that the true emancipation of women can be found in this extreme and particularly onesided expression of feminine identity. Thus pornography is a fenced-off area, a “separate sphere”, where emancipated women can live out their desires without endangering the system. The supposed freedom of the woman posing naked in Playboy differs little from that of the 50s housewife who proudly
presents her latest baked creations; only the environment has changed."[..]
READ THE WHOLE TEXT IN OUR LATEST ISSUE.
And if you are lucky and speak german, herewith the original full version in german:
Photo: Matthias Weingärtner
Monster High Doll - Lagoona Bblue #2, daughter of The Sea Monster MATELL
Als Supermodel vom Cover eines internationalen Modemagazins zu strahlen hat heute den traditionellen Berufswunsch der Tierärztin oder Kindergärtnerin vieler junger Mädchen von den oberen Rängen verdrängt. Standen einst ein Interesse für Inhalte eines Faches, sowie eine gewisse Qualifizierung im Vordergrund, scheint heute eher eine Reduzierung auf äußere Qualitäten eine Rolle zu spielen. Der Erfolg von Fernsehformaten, die es sich zum Ziel gesetzt haben, auch aus dem schüchterndsten Entlein den Schwan herauszulocken, zeugen von einer gesellschaftlichen Entwicklung deren Anfang nicht ohne weiteres auszumachen ist. Geht es darum eine Nachfrage zu bedienen oder sind es eher Sendungen wie Germany’s next Topmodel und Co., die ihre Teilnehmer produzieren? „Vielleicht hat Deutschland nichts Schöneres zu bieten, als dich!?“ – hieß es im Aufruf zur bereits siebten Staffel der deutschen Ausgabe des internationalen Modelcastingformats. Autorinnen wie Natasha Walter dürfte ein solcher Satz die Nackenhaare aufstellen. In ihrem jüngst erschienenen Buch „Living Dolls“ fragt die britische Journalistin, „Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen“. Der Andrang bei den Castings ist jedesmal ernorm. Unzählige junge Frauen buhlen weltweit darum vor tausenden von Zuschauern ihre Schönheit zu demonstrieren, sich mit Insekten behängen zu lassen, zwischen Wolkenkratzern zu turnen, sich vor der Jury mal besonders „sexy“ zu geben, zwischendrinn viele Tränen zu vergießen und in den Zickenkrieg zu ziehen, um am Ende vielleicht über internationale Laufstege zu stolzieren. Das dies den wenigsten gelingt, ist in Fachkreisen bereits vielfach diskutiert worden. Doch darum soll es hier auch gar nicht gehen, sondern vielmehr um die Frage, wie es passieren konnte, dass Gleichberechtigung plötzlich nur noch darin zu bestehen scheint, dass Frauen wie Männer allen Alters gemeinsam vor dem Fernseher sitzen, um dem Spektakel beizuwohen, wenn auch mit unterschiedlichen Vorzeichen.
Marie Schmidt schrieb dereinst in der ZEIT, dass Serien nach dem Format von GNTM „uns immer wieder aufs Neue die wohlberechnete Erfüllung eines gut geölten Schemas verheißen“ und damit nichts anderes täten, als die Pornografie, die dafür einstehe, dass ein vergleichsweise begrenztes Spektrum menschlicher Vorfälle sich zuverlässig ereigne. Geht man davon aus, dass die Funktionsweise der Pornografie darin besteht, dass sie „ihre Objekte restlos verdinglicht und genau darüber die Möglichkeit der Verfügung über sie für die Rezipienten suggeriert“ – so schreibt es Diedrich Diederichsens in seinen Überlegungen „Über das Verhältnis von Pornografie und Popkultur“ vor einigen Jahren in Texte zur Kunst – werden die Analogien noch deutlicher: Junge, schöne Frauen, machen sich selbst und scheinbar völlig freiwillig zu Objekten, an denen individueller Neid in Form von kollektiver Gehässigkeit ausgelebt werden darf. Während GNTM den Minderwertigkeitskomplex mancher Jungs und Männer in doppelter Weise auf familienfreundliche Art zu befriedigen vermag – die Mädchen sind einerseits passive Wesen, die man “penetrieren” kann wie man will, anderseits auch noch jung, unerfahren und schwächer – sehen die Sendung besonders gerne kleine Mädchen, gerade noch vor der Pubertät: „Vermutlich spüren sie darin die Wahrheit jener Regime, die ihnen in nächster Zukunft bevorstehen und die ihre Eltern noch tröstend zu verheimlichen versuchen“, so schreibt es Schmidt.
Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass sich Natasha Walters eingangs erwähnte Gesellschaftsstudie im ersten Kapitel fast ausschließlich mit der zeitgenössischen Sexindustrie befasst. Deren Mechanismen bilden, ihrer Meinung nach, den Stand des Geschlechterkampfes ab und das auf eine alamierende Art, insofern als dass die zunehmende scheinbar selbstbestimmte und öffentlichkeitswirksame Beteiligung von Frauen daran häufig mit dem Begriff „Empowerment“ bezeichnet würde, was so viel wie „Förderung und Stärkung der Frauen und ihrer Beteiligung an der Macht“ bedeutet. Demnach ist es in unserer Gesellschaft ein besonderes Zeichen für Emanzipation, wenn sich die deutsch-türkische Schauspielerin Sila Sahin als erste Türkin stolz und vor allem nackt im Playboy präsentiert und damit jungen Landsfrauen zeigen möchte, „dass es okay ist, wenn man so lebt wie man ist“, wie sie der Bild-Zeitung verriet oder wenn junge Frauen wie die Amerikanerin mit dem Künstlernamen Sasha Grey, zum Ziele haben, die Pornoindustrie zu revolutionieren und sich damit brüstet, in ihrem ersten Auftritt vor Kamera mit 18 Jahren gleich in einem Gangbang agiert zu haben.
Natürlich gilt in diesem Zusammenhang ein junges Nachwuchsmodell, dass sich sperrt, vor laufender Kamera leicht bekleidet für Fotos zu posieren oder sich mit einem männlichen Model in den Laken zu wälzen als realitätsfremde Spielverderberin, die riskiert, aus dem Rennen genommen zu werden: „Wir sehen einfach nicht, dass du es wirklich willst“, lautet der angsteinflößende Satz der Jury – den Schmidt in der ZEIT sehr treffend mit dem pornografischen Phantasma „Du willst es doch auch“ vergleicht – auf das nicht selten der Rausschmiss „Ich habe heute leider kein Foto für dich“, folgt – übersetzt: „Baby, Du bringst es einfach nicht...“.
Walter betont, dass es ihr nicht darum geht, eine „verbissene, politisch korrekte Form des Feminismus (zu) vertreten, um größere Gleichberechtigung zu erreichen“, sondern dass vielmehr „jeder einzelnen Frau selbst überlassen bleiben (muss), sich persönlich auf irgendein als stereotyp erachtetes weibliches Verhalten einzulassen.“ Aber eben jene Freiheit zu entscheiden, wie man sich als Frau artikulieren möchte, sei längst nicht gegeben und Ansichten, dass Frauen heute mit Auffassungen, als Sexobjekt betrachtet zu werden, spielen würden und dies als „feministisches Ideal“ betrachtet werden könnte, sei vielmehr eine „merkwürdige Verzerrung dessen, was (der Begriff der Emanzipation) für Feministinnen einmal bedeutet hat.“ Denn mit der zunehmenden breiteren Akzeptant der Sexindustrie und angrenzender Bereiche und den in ihr emanzipierter agierenden Akteurinnen, sei in anderen Bereichen kaum eine Veränderung in den Geschlechterrollen zu verzeichnen. So habe die mit der Frauenbewegung eng verzahnte sexuelle Revolution zwar dazu geführt, dass „Frauen heute sexuell aktiv und erfahren sein dürfen, ohne sich gesellschaftliche Ächtung einzuhandeln“, gleichzeitig sei es aber nicht dazu gekommen, dass Frauen der Weg zu politischer oder wirtschaftlicher Macht erleichtert wurde oder dass Männer in dem Maße familiell engagiert sind, wie einmal erhofft. Statt dass sich Freiheit und Potential der Frauen voll entfalten könne, definiere die neue hypersexualisierte Kultur weiblichen Erfolg neu, und zwar ausschließlich im engen Rahmen der sexuellen Anziehungskraft, „dessen Inbegriff häufig schlanke, vollbusige Exhibitionistinnen verkörpern.“
Diese Verknüpfung zwischen Weiblichkeit und Erotik beginnt, Walter zufolge, bereits im Kindesalter. Denn obgleich Feministinnen bereits in den 70er Jahren das Erscheinungsbild der Barbiepuppe mit Wespentaille, großem Busen und perfekten Gesichtszügen kritisierten, so wurde sie zumindest als beruflich erfolgreiche Frau, als Pilotin, Ärztin oder Austronautin, unabhängig vom Dauerfreund Ken, inszeniert. Die aktuelle Barbie-Konkurrenz der Bratz-Puppen kommen hingegen als dick geschminkte, schmolllippige, shopping- und clubbingverrückte Mädchenclique in bauchfreien Tops und Miniröcken auf dem Markt. Das drumherum konstruierte Merchandising aus entsprechend pink, glitzernden Fanartikeln, Filmen und Videospielen lässt kaum spielerischen Freiraum für Phantasien, die sich jenseits von einem Frauenbild, dass sich ausschließlich innerhalb von Beautysalons, Einkaufscentern, und Clubs bewegt, abspielen. Das typische Mädchen bevorzugt die Farbe rosa, spielt am liebsten mit Puppen ist sprachbegabt, kommunikationsfroh und erzielt schlechte Noten im Mathematikunterricht, wohingegen der typische Junge blau mag und lieber mit seinen Kumpels wortkarg und mutig draußen tobt. Nein, neu ist das nicht, doch mag man meinen, dass sich seit der Frauenbewegung an diesen Stereotypen etwas geändert hat, dass ein Mädchen mittlerweile auch auf Bäume klettern darf, ohne als „Wildfang“ zu gelten, sondern einfach ein Mädchen ist, das lieber auf Bäume klettert, statt mit Puppen zu spielen; dass die Gala keine Psychotherapeutin zitieren muss, die bescheinigt, dass das Verhalten Shilo Pitts, der Tochter Brad Pitts und Angelina Jolies, die lieber derbe Stiefel, weite Hosen, Schlabbershirts und Krawatten trägt als Kleidchen und Ballerinas, „eine sehr gesunde Aktivität für ein kleines Mädchen sei“; dass ein Junge auch Spaß am Sich-Verkleiden und am Spiel mit Puppen haben darf, ohne dass das Umfeld Rückschlüsse auf seine spätere sexuelle Gesinnung zieht.
Den Grund für dieses erneute Erstarken von Geschlechterstereotypen, sieht Walter in einer Renaissance des biologischen Determinismus. Demzufolge sind Männer und Frauen von Geburt an anders und somit auch die gesellschaftliche Rollenverteilung nach der Frauen eher dem mütterlich, häuslichen Bereich und Männer dem öffentlichen, arbeitenden Bereich zugeordnet sind, nur logisch. Frauen, die nun nach Macht im Außen streben handeln demnach eher männlich, also nicht „artgerecht“, während Männer, die sich gerne dem Haushalt und der Kindererziehung widmen möchten, automatisch ihre Männlichkeit einbüßen. Seit jeher sind vermeintlich naturgegebene Erklärungen für die Differenz der Geschlechter zur Legitimierung herrschender Gesellschaftsordnungen angeführt worden. Im 19. Jahrhundert wurde Frauen beispielsweise geraten, keine anspruchsvollen Bücher zu lesen, da bestimmte Gerhirnaktivitäten nicht mit ihrer Fruchtbarkeit vereinbar seien. So schrieb der Psychiater Sir Henry Maudsley 1874, „das eine Frau, die Lebenskraft, die unbesonnen auf das Lernen verwandt wurde, nicht leicht zurückgewinnt (...) wenn eine Frau das Bildungsniveau von Männern erreichen sucht (...) fehlt ihr später die für das Kindergebären und –erziehen nötige Kraft.“ Längere Zeit galt das kleinere Gehirn der Frau als Indiz für niedrigere Intelligenz. Später hieß es, höhere Intelligenz hinge mit der ausgeprägteren Entwicklung bestimmter Regionen des männlichen Gehirns zusammen. Die Biologin Anne Fausto-Sterling trägt in „Gefangene des Geschlechts?“ noch weitere Erklärungen für die vermeintliche Andersartig- und nicht selten Minderwertigkeit der Frau zusammen, die sich regelmäßig änderten, wie „die Mode bei der Rocklänge.“ So sagt sie: „Die populärwissenschaftliche Presse begrüßt jeden Neuankömmling mit Fanfaren, bunten Bändern und langen Artikeln, versäumt es aber zu berichten, wenn die jeweils neueste These ihrerseits in Misskredit gerät.“
Dem biologischen Determinismus steht die Auffassung gegenüber, dass Geschlechterkategorien grundsätzlich kulturell determiniert seien. Diese Ansichten gehen zurück auf die Aussage der französischen Schriftstellerin und Feministin Simone de Beauvoir, nach der man nicht als Frau zur Welt komme, sondern erst dazu gemacht werde. Demnach ist das, was wir als „männlich“ oder „weiblich“ erachten einzig Ergebnisse sozialer Prozesse, die es – so die feministische Sichtweise – zu überwinden gälte.
In ihrem Buch „Liebesgeschichten aus dem Patriarchat“ diskutieren Cheryl Benard und Edit Schlaffer die Frage, warum Frauen eine übermäßige Bereitschaft zeigen, „sich mit dem Vorhandenen zu arrangieren“, einer „Männerherrschaft“, die Frauen allenfalls als Ehefrauen, Musen oder Kollaborateurinnen akzeptiert. Dabei liefern die beiden Sozialwissenschaftlerinnen und Radikalfeministinnen nützliche Denkansätze dafür, wie Frauen selbst an der Erhaltung patriarchaler Strukturen mitwirken, die ihrerseits aktiv von Männern geschaffen und genährt werden. Der Mann wird zum „Feind“ stilisiert, mit dem die Frau zusammenlebt, obwohl er ihr die Rechte nimmt, weil es kaum Alternativen „zu den zeitgenössischen, zur Verfügung stehenden Männern“ gibt. Die Autorinnen malen das Bild einer aktiv von Männern dominierten Gesellschaft, in der der Frau einzig die Entscheidung bleibt, zu kooperieren oder auszusteigen und für ihre Menschenrechte zu kämpfen.
Ganz so einfach ist es aber leider nicht. Vielmehr ist die patriarchale Struktur, wie sie sich heute in westlichen Gesellschaften darstellt, ein hochkomplexes Gebilde mit langer Geschichte, an deren Anfang eine Spaltung der Welt in männliche und weibliche Prinzipien steht, dessen Vereinigung Grundlage eines jeden gesunden Wachstums ist, wenn man der spirituellen Bewegung Glauben schenken mag.
Wie sich diese Spaltung in männlich und weiblich in der Wissenschaft auswirkt, untersucht die Soziologin Christina von Braun: „Die Beziehung zwischen der Wissens- und Geschlechterordnung (stand und steht) unter dem Zeichen der Dichotomie Natur/Kultur oder Geist/Körper“, einer Dichotomie, die ihrerseits ein hierarchisches Verhältnis zwischen der gestalteten Kultur und der zu domestizierenden oder zu gestaltenden Natur impliziere. Diese Zweiteilung wurde wiederum ‚naturalisiert’, so von Braun, indem in der symbolischen Geschlechterordnung den beiden Polen je ein Geschlecht zugewiesen wurde: „Männlichkeit repräsentiert Geistigkeit und Kultur, während die Natur und der Körper als ‚weiblich’ codiert wurden – eine Zuordnung, die sich bis weit in die Moderne hinein fortgesetzt hat und noch heute prägend bleibt für eine Art, wie über ‚weibliche Irrationalität’, Unberechenbarkeit und davon abgeleitet ‚Unwissenschaftlichkeit’ gesprochen wird.“ Eben jene Dichotomie führte auch zu einer ‚geschlechtlichen’ Aufteilung der unterschiedlichen Forschungsgebiete, wonach die Naturwissenschaften als „hard sciences“ und ‚männlich’ galten, während die Geisteswissenschaften gerne als ‚weiblich’ gehandelt wurden. Dass es sich bei derlei Zuordnungen um symbolische handelt und es weniger darum geht, „geschlechterspezifische Begabungen oder Interessen abzubilden“, zeigt, so von Braun, die Tatsache, dass „sich Frauen, als ihnen Anfang des 20. Jahrhunderts endlich der Zugang zu akademischer Bildung gewährt wurde, mehrheitlich für Medizin oder ein naturwissenschaftliches Fach entschieden, während die Geisteswissenschaften (...) am längsten zögerten, Frauen Zugang zu ihren Wissenschaften zu gewähren.“ Da verwundert es, dass Akademikerinnen heute in den Naturwissenschaften eher die Ausnahme darstellen, wohingegen sie in den Geisteswissenschaften gut vertreten sind. „Mit Begabung“, so Braun, „lässt sich eine solche Entwicklung nicht erklären, eher mit geschlechterspezifischen Codierungen der Wissensordnung.“
Jene symbolische Dichotomie mit dem tatsächlichen biologischen Geschlecht zu verknüpfen und sie damit als gegeben anzunehmen, führt zu einer enormen Einengung von Identität und legitimiert innerhalb der hierarchischen Struktur von weiblicher, zu bezwingender Natur und männlich, bezwungener Kultur die ungleiche Geschlechterordnung. Somit wäre es, denkt man dieses Struktur fort, die Aufgabe des Mannes als Vertreter des männlichen Prinzips, die Frau als das Weibliche zu „bezwingen“, in ihrer Natürlichkeit zu zähmen und zu kultivieren, in ihrer Wildheit in die Schranken zu weisen und damit selbst die Angst vor dem Unkontrollierbaren zu überwinden.
Marie Schmidt schrieb dereinst in der ZEIT, dass Serien nach dem Format von GNTM „uns immer wieder aufs Neue die wohlberechnete Erfüllung eines gut geölten Schemas verheißen“ und damit nichts anderes täten, als die Pornografie, die dafür einstehe, dass ein vergleichsweise begrenztes Spektrum menschlicher Vorfälle sich zuverlässig ereigne. Geht man davon aus, dass die Funktionsweise der Pornografie darin besteht, dass sie „ihre Objekte restlos verdinglicht und genau darüber die Möglichkeit der Verfügung über sie für die Rezipienten suggeriert“ – so schreibt es Diedrich Diederichsens in seinen Überlegungen „Über das Verhältnis von Pornografie und Popkultur“ vor einigen Jahren in Texte zur Kunst – werden die Analogien noch deutlicher: Junge, schöne Frauen, machen sich selbst und scheinbar völlig freiwillig zu Objekten, an denen individueller Neid in Form von kollektiver Gehässigkeit ausgelebt werden darf. Während GNTM den Minderwertigkeitskomplex mancher Jungs und Männer in doppelter Weise auf familienfreundliche Art zu befriedigen vermag – die Mädchen sind einerseits passive Wesen, die man “penetrieren” kann wie man will, anderseits auch noch jung, unerfahren und schwächer – sehen die Sendung besonders gerne kleine Mädchen, gerade noch vor der Pubertät: „Vermutlich spüren sie darin die Wahrheit jener Regime, die ihnen in nächster Zukunft bevorstehen und die ihre Eltern noch tröstend zu verheimlichen versuchen“, so schreibt es Schmidt.
Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass sich Natasha Walters eingangs erwähnte Gesellschaftsstudie im ersten Kapitel fast ausschließlich mit der zeitgenössischen Sexindustrie befasst. Deren Mechanismen bilden, ihrer Meinung nach, den Stand des Geschlechterkampfes ab und das auf eine alamierende Art, insofern als dass die zunehmende scheinbar selbstbestimmte und öffentlichkeitswirksame Beteiligung von Frauen daran häufig mit dem Begriff „Empowerment“ bezeichnet würde, was so viel wie „Förderung und Stärkung der Frauen und ihrer Beteiligung an der Macht“ bedeutet. Demnach ist es in unserer Gesellschaft ein besonderes Zeichen für Emanzipation, wenn sich die deutsch-türkische Schauspielerin Sila Sahin als erste Türkin stolz und vor allem nackt im Playboy präsentiert und damit jungen Landsfrauen zeigen möchte, „dass es okay ist, wenn man so lebt wie man ist“, wie sie der Bild-Zeitung verriet oder wenn junge Frauen wie die Amerikanerin mit dem Künstlernamen Sasha Grey, zum Ziele haben, die Pornoindustrie zu revolutionieren und sich damit brüstet, in ihrem ersten Auftritt vor Kamera mit 18 Jahren gleich in einem Gangbang agiert zu haben.
Natürlich gilt in diesem Zusammenhang ein junges Nachwuchsmodell, dass sich sperrt, vor laufender Kamera leicht bekleidet für Fotos zu posieren oder sich mit einem männlichen Model in den Laken zu wälzen als realitätsfremde Spielverderberin, die riskiert, aus dem Rennen genommen zu werden: „Wir sehen einfach nicht, dass du es wirklich willst“, lautet der angsteinflößende Satz der Jury – den Schmidt in der ZEIT sehr treffend mit dem pornografischen Phantasma „Du willst es doch auch“ vergleicht – auf das nicht selten der Rausschmiss „Ich habe heute leider kein Foto für dich“, folgt – übersetzt: „Baby, Du bringst es einfach nicht...“.
Walter betont, dass es ihr nicht darum geht, eine „verbissene, politisch korrekte Form des Feminismus (zu) vertreten, um größere Gleichberechtigung zu erreichen“, sondern dass vielmehr „jeder einzelnen Frau selbst überlassen bleiben (muss), sich persönlich auf irgendein als stereotyp erachtetes weibliches Verhalten einzulassen.“ Aber eben jene Freiheit zu entscheiden, wie man sich als Frau artikulieren möchte, sei längst nicht gegeben und Ansichten, dass Frauen heute mit Auffassungen, als Sexobjekt betrachtet zu werden, spielen würden und dies als „feministisches Ideal“ betrachtet werden könnte, sei vielmehr eine „merkwürdige Verzerrung dessen, was (der Begriff der Emanzipation) für Feministinnen einmal bedeutet hat.“ Denn mit der zunehmenden breiteren Akzeptant der Sexindustrie und angrenzender Bereiche und den in ihr emanzipierter agierenden Akteurinnen, sei in anderen Bereichen kaum eine Veränderung in den Geschlechterrollen zu verzeichnen. So habe die mit der Frauenbewegung eng verzahnte sexuelle Revolution zwar dazu geführt, dass „Frauen heute sexuell aktiv und erfahren sein dürfen, ohne sich gesellschaftliche Ächtung einzuhandeln“, gleichzeitig sei es aber nicht dazu gekommen, dass Frauen der Weg zu politischer oder wirtschaftlicher Macht erleichtert wurde oder dass Männer in dem Maße familiell engagiert sind, wie einmal erhofft. Statt dass sich Freiheit und Potential der Frauen voll entfalten könne, definiere die neue hypersexualisierte Kultur weiblichen Erfolg neu, und zwar ausschließlich im engen Rahmen der sexuellen Anziehungskraft, „dessen Inbegriff häufig schlanke, vollbusige Exhibitionistinnen verkörpern.“
Diese Verknüpfung zwischen Weiblichkeit und Erotik beginnt, Walter zufolge, bereits im Kindesalter. Denn obgleich Feministinnen bereits in den 70er Jahren das Erscheinungsbild der Barbiepuppe mit Wespentaille, großem Busen und perfekten Gesichtszügen kritisierten, so wurde sie zumindest als beruflich erfolgreiche Frau, als Pilotin, Ärztin oder Austronautin, unabhängig vom Dauerfreund Ken, inszeniert. Die aktuelle Barbie-Konkurrenz der Bratz-Puppen kommen hingegen als dick geschminkte, schmolllippige, shopping- und clubbingverrückte Mädchenclique in bauchfreien Tops und Miniröcken auf dem Markt. Das drumherum konstruierte Merchandising aus entsprechend pink, glitzernden Fanartikeln, Filmen und Videospielen lässt kaum spielerischen Freiraum für Phantasien, die sich jenseits von einem Frauenbild, dass sich ausschließlich innerhalb von Beautysalons, Einkaufscentern, und Clubs bewegt, abspielen. Das typische Mädchen bevorzugt die Farbe rosa, spielt am liebsten mit Puppen ist sprachbegabt, kommunikationsfroh und erzielt schlechte Noten im Mathematikunterricht, wohingegen der typische Junge blau mag und lieber mit seinen Kumpels wortkarg und mutig draußen tobt. Nein, neu ist das nicht, doch mag man meinen, dass sich seit der Frauenbewegung an diesen Stereotypen etwas geändert hat, dass ein Mädchen mittlerweile auch auf Bäume klettern darf, ohne als „Wildfang“ zu gelten, sondern einfach ein Mädchen ist, das lieber auf Bäume klettert, statt mit Puppen zu spielen; dass die Gala keine Psychotherapeutin zitieren muss, die bescheinigt, dass das Verhalten Shilo Pitts, der Tochter Brad Pitts und Angelina Jolies, die lieber derbe Stiefel, weite Hosen, Schlabbershirts und Krawatten trägt als Kleidchen und Ballerinas, „eine sehr gesunde Aktivität für ein kleines Mädchen sei“; dass ein Junge auch Spaß am Sich-Verkleiden und am Spiel mit Puppen haben darf, ohne dass das Umfeld Rückschlüsse auf seine spätere sexuelle Gesinnung zieht.
Den Grund für dieses erneute Erstarken von Geschlechterstereotypen, sieht Walter in einer Renaissance des biologischen Determinismus. Demzufolge sind Männer und Frauen von Geburt an anders und somit auch die gesellschaftliche Rollenverteilung nach der Frauen eher dem mütterlich, häuslichen Bereich und Männer dem öffentlichen, arbeitenden Bereich zugeordnet sind, nur logisch. Frauen, die nun nach Macht im Außen streben handeln demnach eher männlich, also nicht „artgerecht“, während Männer, die sich gerne dem Haushalt und der Kindererziehung widmen möchten, automatisch ihre Männlichkeit einbüßen. Seit jeher sind vermeintlich naturgegebene Erklärungen für die Differenz der Geschlechter zur Legitimierung herrschender Gesellschaftsordnungen angeführt worden. Im 19. Jahrhundert wurde Frauen beispielsweise geraten, keine anspruchsvollen Bücher zu lesen, da bestimmte Gerhirnaktivitäten nicht mit ihrer Fruchtbarkeit vereinbar seien. So schrieb der Psychiater Sir Henry Maudsley 1874, „das eine Frau, die Lebenskraft, die unbesonnen auf das Lernen verwandt wurde, nicht leicht zurückgewinnt (...) wenn eine Frau das Bildungsniveau von Männern erreichen sucht (...) fehlt ihr später die für das Kindergebären und –erziehen nötige Kraft.“ Längere Zeit galt das kleinere Gehirn der Frau als Indiz für niedrigere Intelligenz. Später hieß es, höhere Intelligenz hinge mit der ausgeprägteren Entwicklung bestimmter Regionen des männlichen Gehirns zusammen. Die Biologin Anne Fausto-Sterling trägt in „Gefangene des Geschlechts?“ noch weitere Erklärungen für die vermeintliche Andersartig- und nicht selten Minderwertigkeit der Frau zusammen, die sich regelmäßig änderten, wie „die Mode bei der Rocklänge.“ So sagt sie: „Die populärwissenschaftliche Presse begrüßt jeden Neuankömmling mit Fanfaren, bunten Bändern und langen Artikeln, versäumt es aber zu berichten, wenn die jeweils neueste These ihrerseits in Misskredit gerät.“
Dem biologischen Determinismus steht die Auffassung gegenüber, dass Geschlechterkategorien grundsätzlich kulturell determiniert seien. Diese Ansichten gehen zurück auf die Aussage der französischen Schriftstellerin und Feministin Simone de Beauvoir, nach der man nicht als Frau zur Welt komme, sondern erst dazu gemacht werde. Demnach ist das, was wir als „männlich“ oder „weiblich“ erachten einzig Ergebnisse sozialer Prozesse, die es – so die feministische Sichtweise – zu überwinden gälte.
In ihrem Buch „Liebesgeschichten aus dem Patriarchat“ diskutieren Cheryl Benard und Edit Schlaffer die Frage, warum Frauen eine übermäßige Bereitschaft zeigen, „sich mit dem Vorhandenen zu arrangieren“, einer „Männerherrschaft“, die Frauen allenfalls als Ehefrauen, Musen oder Kollaborateurinnen akzeptiert. Dabei liefern die beiden Sozialwissenschaftlerinnen und Radikalfeministinnen nützliche Denkansätze dafür, wie Frauen selbst an der Erhaltung patriarchaler Strukturen mitwirken, die ihrerseits aktiv von Männern geschaffen und genährt werden. Der Mann wird zum „Feind“ stilisiert, mit dem die Frau zusammenlebt, obwohl er ihr die Rechte nimmt, weil es kaum Alternativen „zu den zeitgenössischen, zur Verfügung stehenden Männern“ gibt. Die Autorinnen malen das Bild einer aktiv von Männern dominierten Gesellschaft, in der der Frau einzig die Entscheidung bleibt, zu kooperieren oder auszusteigen und für ihre Menschenrechte zu kämpfen.
Ganz so einfach ist es aber leider nicht. Vielmehr ist die patriarchale Struktur, wie sie sich heute in westlichen Gesellschaften darstellt, ein hochkomplexes Gebilde mit langer Geschichte, an deren Anfang eine Spaltung der Welt in männliche und weibliche Prinzipien steht, dessen Vereinigung Grundlage eines jeden gesunden Wachstums ist, wenn man der spirituellen Bewegung Glauben schenken mag.
Wie sich diese Spaltung in männlich und weiblich in der Wissenschaft auswirkt, untersucht die Soziologin Christina von Braun: „Die Beziehung zwischen der Wissens- und Geschlechterordnung (stand und steht) unter dem Zeichen der Dichotomie Natur/Kultur oder Geist/Körper“, einer Dichotomie, die ihrerseits ein hierarchisches Verhältnis zwischen der gestalteten Kultur und der zu domestizierenden oder zu gestaltenden Natur impliziere. Diese Zweiteilung wurde wiederum ‚naturalisiert’, so von Braun, indem in der symbolischen Geschlechterordnung den beiden Polen je ein Geschlecht zugewiesen wurde: „Männlichkeit repräsentiert Geistigkeit und Kultur, während die Natur und der Körper als ‚weiblich’ codiert wurden – eine Zuordnung, die sich bis weit in die Moderne hinein fortgesetzt hat und noch heute prägend bleibt für eine Art, wie über ‚weibliche Irrationalität’, Unberechenbarkeit und davon abgeleitet ‚Unwissenschaftlichkeit’ gesprochen wird.“ Eben jene Dichotomie führte auch zu einer ‚geschlechtlichen’ Aufteilung der unterschiedlichen Forschungsgebiete, wonach die Naturwissenschaften als „hard sciences“ und ‚männlich’ galten, während die Geisteswissenschaften gerne als ‚weiblich’ gehandelt wurden. Dass es sich bei derlei Zuordnungen um symbolische handelt und es weniger darum geht, „geschlechterspezifische Begabungen oder Interessen abzubilden“, zeigt, so von Braun, die Tatsache, dass „sich Frauen, als ihnen Anfang des 20. Jahrhunderts endlich der Zugang zu akademischer Bildung gewährt wurde, mehrheitlich für Medizin oder ein naturwissenschaftliches Fach entschieden, während die Geisteswissenschaften (...) am längsten zögerten, Frauen Zugang zu ihren Wissenschaften zu gewähren.“ Da verwundert es, dass Akademikerinnen heute in den Naturwissenschaften eher die Ausnahme darstellen, wohingegen sie in den Geisteswissenschaften gut vertreten sind. „Mit Begabung“, so Braun, „lässt sich eine solche Entwicklung nicht erklären, eher mit geschlechterspezifischen Codierungen der Wissensordnung.“
Jene symbolische Dichotomie mit dem tatsächlichen biologischen Geschlecht zu verknüpfen und sie damit als gegeben anzunehmen, führt zu einer enormen Einengung von Identität und legitimiert innerhalb der hierarchischen Struktur von weiblicher, zu bezwingender Natur und männlich, bezwungener Kultur die ungleiche Geschlechterordnung. Somit wäre es, denkt man dieses Struktur fort, die Aufgabe des Mannes als Vertreter des männlichen Prinzips, die Frau als das Weibliche zu „bezwingen“, in ihrer Natürlichkeit zu zähmen und zu kultivieren, in ihrer Wildheit in die Schranken zu weisen und damit selbst die Angst vor dem Unkontrollierbaren zu überwinden.
Monster High Doll - Frankie Stein, Daughter of Frankenstein MATELL
Dieses Bild sieht die Feministin Naomi Wolf im Schönheitswahn widergespiegelt. In „Der Mythos Schönheit“ beschreibt sie diesen als „politische Waffe“ und als „heftige reaktionäre Rückschlagsbewegung gegen den Feminismus“ mit dem Ziel, „das gesellschaftliche Vordringen der Frauen aufzuhalten.“ In dem Maß, wie es Frauen gelungen war, sich vom „Kinder-Küche-Kirche-Weiblichkeitswahn“ frei zu machen, habe nun, so Wolf, der Schönheitsmythos die Funktion als „Instrument sozialer Kontrolle“ übernommen. Doch anders als Benard und Schlaffer vermutet sie dahinter keine Verschwörungen von Männerbünden, sondern den „reflexhaften Drang des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Machtestablisments“. Schönheit fungiere darin als ein „Währungssystem“, als „ideologischen Komplex, der noch dafür sorgt, dass die männliche Vorherrschaft unangetastet bleibt.“ Und das, was als schön gelte, zeige lediglich das, was die betreffende Gesellschaft für wünschenswert erachtet, in diesem Fall ein Verhaltensmuster und keine äußeren Qualitäten. Der Schönheitsmythos, wie wir ihn heute kennen, entstand, so Wolf, mit der Industrialisierung und dem damit verbundenen Entstehen einer öffentlichen, den Männern vorbehaltenen Sphäre und einem „separaten häuslichen Bereich (...), zuständig für die Reproduktion des ‚Ernährers’, der tagsüber das Heim verließ, um arbeiten zu gehen.“ Frauen waren in den wirtschaftserhaltenden Prozess nicht direkt eingebunden, sondern mussten „sich in die Zuständigkeit für den häuslichen Bereich fügen (...), wenn das in der Entwicklung begriffene System des Industriekapitalismus funktionieren sollte.“ Technische Errungenschaften ermöglichten die weite Verbreitung von idealtypischen Frauenbildern, die in der häuslichen Arbeit ihre Erfüllung fanden. Die konjugierende Schönheitsindustrie kann in diesem Zusammenhang als Reaktion auf stabilitätsgefährdende Bewegungen, wie dem Feminismus, verstanden werden: „Die endlose Sisyphusarbeit an der eigenen Schönheit ersetzte die endlose Sisyphusarbeit im Haushalt.“ Dabei mache sich das System die Angst seiner Akteure vor zu großer Veränderung zunutze und tradiere Mythen wie den der Schönheit ganz von selbst: „Den Frauen haben sich so vielfältige neue Möglichkeiten eröffnet, dass sie inzwischen die Stabilität der Institutionen bedrohen (...) und die Panikreaktion beider Geschlechter hat das Bedürfnis nach Gegenbildern hervorgetrieben.“
Tatsächlich ist es die Angst beider Geschlechter und der wohl größte Feind der Feministin ist in ihren eigenen Reihen zu finden, in diesem Punkt treffen sich Wolf, Benard und Schlaffer wieder. 20 Jahre nach dem „Mythos Schönheit“ leben wir im Zeitalter des „Porno“, das vielen glaubhaft zu vermitteln weiß, dass in einer extremen und vor allem einseitigen Auslebung ihrer Weiblichkeit die wahre Emanzipation der Frau zu finden sei. So wirkt die Pornografie wie ein abgezäunter Bereich, in dem Emanzipationswillige ihre Bestrebungen frei ausleben dürfen, ohne das System in seiner Funktion zu gefährden. Die vermeintliche Freiheit der Frau, die sich nackt im Playboy präsentiert unterscheidet sich dabei kaum von der einer Hausfrau der 50er Jahre, die stolz ihre neuesten Backkreationen präsentiert; einzig das Aktionsumfeld hat sich geändert.
So soll es aber nicht darum gehen, Frauen und Männer zu diffamieren, die sich bewusst entscheiden, bestimmte Stereotype zu leben. Aber angesichts der Ermangelung an möglichen Alternativen ist in diesem Zusammenhang von freier Entscheidung zu sprechen kaum anders als einen Einparteienstaat als Demokratie zu bezeichnen. Dass Männer in ihrer privilegierteren Position weniger Anreize spüren, an den Zuständen etwas zu ändern, ist nicht verwunderlich, dennoch ist die herrschende Geschlechterungleichheit, die die notwendige Grundlage für das aktuell herrschende Gesellschaftssystem darstellt, ein Problem, das Männer wie Frauen gleichermaßen betrifft. Für viele Feministinnen mag es gerechtfertigt sein, dass es nach vielen Jahren der Ungleichheit an der Zeit sei, Frauen, beispielsweise durch die Einführung von Quoten progressiv in Männerdomänen zu platzieren, berücksichtigt diese Sichtweise aber kaum, dass der Weg hin zu einer gleichberechtigten Gesellschaft nicht allein in der Emanzipation der Frau, sondern auch in der des Mannes liegt. In den 80er Jahren schrieb der Psychologe Wilfried Wieck mit „Männer lassen lieben“ ein Buch, das als „radikal feministische Analyse aus der Sicht eines Mannes“ gilt. Darin behauptet er, „dass der Mann süchtig ist nach der Frau“ und dass „diese erste Sucht in seinem Leben entstand, als er noch nicht denken oder sprechen konnte“ und dass das der Grund dafür sei, warum er „solche Mühe (hat), sich von ihr zu befreien.“ In eben dieser Sucht und dem Umgang mit ihr sieht Wieck die Grundlage westlicher Kultur. Die Aufgabe der Frau sollte es dabei sein, den aus Angst vor Abhängigkeit vor dem Unbekannten um sich schlagenden Mann nicht nur am Leben zu erhalten, sondern auch seine Entwicklung konsequent zu fordern. Wieck sagt wörtlich: „Die Welt braucht nicht die einseitige, sondern die konsequente Therapeutin des Mannes.“ Und an anderer Stelle: „Wir benötigen eine feministisch erweiterte Menschenkenntnis, eine neue Sicht des Mannes. Diese muss zu veränderten Handlungen, zu weicheren Gefühlen und zu bescheideneren Handlungen führen.“ Dies funktioniere alles nicht, weil „die Frauen zu brav sind.“ Auch wenn Wieck mit der Theorie von der Sucht des Mannes nach der Frau einen interessanten Aspekt anbringt, so macht er damit gleichzeitig die Frau für die Entgleisung mitverantwortlich, als sei sie selbst Schuld an ihrer Unterdrückung, auch wenn er letztlich fordert, dass Männer feministische Werte als Zielvorstellungen anerkennen und sie ihr „Denken, Fühlen und Handeln zu integrieren“ sollen, damit im Grunde den Frauen in ihren Männertherapiebestrebungen auf halber Strecke entgegenkommen.
Robert Bly, Schriftsteller und Anhänger der US-amerikanischen Männerbewegung verfolgt einen eigenverantwortlicheren Ansatz. Sein „Eisenhans“ ist ein „Buch über Männer“. Darin zeigt er anhand des Gebrüder Grimm Märchens „Der Eisenhans“ einen möglichen Weg der männlichen Initiation, der sich unabhängig jedoch gleichberechtigt neben der weiblichen vollzieht. Im Grunde geht es um eine Ich-Werdung, ein Prozess, der sich geschlechterunabhängig vollzieht, auch wenn in märchenhaften Erzählungen darüber jeweils Geschlechtsgenossen agieren. Eine zentrale Stelle in Blys Eisenhans beschreibt die erste Begegnung mit der Frau, der der uneingeweihte Mann gegenübertritt um in ihr sein verlorenes Wesen zu finden. Die kluge Frau wird dankend ablehnen, weil sie vermutlich genug mit der Suche nach ihrem eigenen Wesen befasst ist. Die weniger kluge mag vielleicht in das unmögliche Unterfangen einwilligen und einen Pakt schließen, der die Grundlage für herrschende Strukturen immer aufs Neue zementiert. Wie sollen sie es auch anders wissen? Neben dem Bewusstein, dass den Menschen in seiner wahren Fülle wahrnimmt, mangelt es vor allem an lebenden Vorbildern, die glaubhafte Alternativen leben, ohne sich auf gesellschaftlich bedingte Stereotype zu beschränken, Frauen, sowohl Männer, die sich ihrer selbst bewusst sind. Dass dies das Ende herrschender Gesellschaftsstrukturen und eine radikale Umorientierung bedeuten würde, lässt sich problemlos hochrechnen. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass ein sich selbst erhaltendes System immer neue Wege findet, herrschende Strukturen aufrechtzuerhalten, sofern seine Akteure nicht bereit sind, jeder für sich und damit gemeinsam Neuland zu betreten.
Literatur:
Bernard, Cheryl und Schlaffer, Edit: „Liebesgeschichten aus dem Patriarchat. Von der übermäßigen Bereitschaft der Frauen, sich mit dem Vorhandenen zu arrangieren.“ Hamburg 1981
Wolf, Naomi: „Der Mythos Schönheit“. Hamburg 1992
Tatsächlich ist es die Angst beider Geschlechter und der wohl größte Feind der Feministin ist in ihren eigenen Reihen zu finden, in diesem Punkt treffen sich Wolf, Benard und Schlaffer wieder. 20 Jahre nach dem „Mythos Schönheit“ leben wir im Zeitalter des „Porno“, das vielen glaubhaft zu vermitteln weiß, dass in einer extremen und vor allem einseitigen Auslebung ihrer Weiblichkeit die wahre Emanzipation der Frau zu finden sei. So wirkt die Pornografie wie ein abgezäunter Bereich, in dem Emanzipationswillige ihre Bestrebungen frei ausleben dürfen, ohne das System in seiner Funktion zu gefährden. Die vermeintliche Freiheit der Frau, die sich nackt im Playboy präsentiert unterscheidet sich dabei kaum von der einer Hausfrau der 50er Jahre, die stolz ihre neuesten Backkreationen präsentiert; einzig das Aktionsumfeld hat sich geändert.
So soll es aber nicht darum gehen, Frauen und Männer zu diffamieren, die sich bewusst entscheiden, bestimmte Stereotype zu leben. Aber angesichts der Ermangelung an möglichen Alternativen ist in diesem Zusammenhang von freier Entscheidung zu sprechen kaum anders als einen Einparteienstaat als Demokratie zu bezeichnen. Dass Männer in ihrer privilegierteren Position weniger Anreize spüren, an den Zuständen etwas zu ändern, ist nicht verwunderlich, dennoch ist die herrschende Geschlechterungleichheit, die die notwendige Grundlage für das aktuell herrschende Gesellschaftssystem darstellt, ein Problem, das Männer wie Frauen gleichermaßen betrifft. Für viele Feministinnen mag es gerechtfertigt sein, dass es nach vielen Jahren der Ungleichheit an der Zeit sei, Frauen, beispielsweise durch die Einführung von Quoten progressiv in Männerdomänen zu platzieren, berücksichtigt diese Sichtweise aber kaum, dass der Weg hin zu einer gleichberechtigten Gesellschaft nicht allein in der Emanzipation der Frau, sondern auch in der des Mannes liegt. In den 80er Jahren schrieb der Psychologe Wilfried Wieck mit „Männer lassen lieben“ ein Buch, das als „radikal feministische Analyse aus der Sicht eines Mannes“ gilt. Darin behauptet er, „dass der Mann süchtig ist nach der Frau“ und dass „diese erste Sucht in seinem Leben entstand, als er noch nicht denken oder sprechen konnte“ und dass das der Grund dafür sei, warum er „solche Mühe (hat), sich von ihr zu befreien.“ In eben dieser Sucht und dem Umgang mit ihr sieht Wieck die Grundlage westlicher Kultur. Die Aufgabe der Frau sollte es dabei sein, den aus Angst vor Abhängigkeit vor dem Unbekannten um sich schlagenden Mann nicht nur am Leben zu erhalten, sondern auch seine Entwicklung konsequent zu fordern. Wieck sagt wörtlich: „Die Welt braucht nicht die einseitige, sondern die konsequente Therapeutin des Mannes.“ Und an anderer Stelle: „Wir benötigen eine feministisch erweiterte Menschenkenntnis, eine neue Sicht des Mannes. Diese muss zu veränderten Handlungen, zu weicheren Gefühlen und zu bescheideneren Handlungen führen.“ Dies funktioniere alles nicht, weil „die Frauen zu brav sind.“ Auch wenn Wieck mit der Theorie von der Sucht des Mannes nach der Frau einen interessanten Aspekt anbringt, so macht er damit gleichzeitig die Frau für die Entgleisung mitverantwortlich, als sei sie selbst Schuld an ihrer Unterdrückung, auch wenn er letztlich fordert, dass Männer feministische Werte als Zielvorstellungen anerkennen und sie ihr „Denken, Fühlen und Handeln zu integrieren“ sollen, damit im Grunde den Frauen in ihren Männertherapiebestrebungen auf halber Strecke entgegenkommen.
Robert Bly, Schriftsteller und Anhänger der US-amerikanischen Männerbewegung verfolgt einen eigenverantwortlicheren Ansatz. Sein „Eisenhans“ ist ein „Buch über Männer“. Darin zeigt er anhand des Gebrüder Grimm Märchens „Der Eisenhans“ einen möglichen Weg der männlichen Initiation, der sich unabhängig jedoch gleichberechtigt neben der weiblichen vollzieht. Im Grunde geht es um eine Ich-Werdung, ein Prozess, der sich geschlechterunabhängig vollzieht, auch wenn in märchenhaften Erzählungen darüber jeweils Geschlechtsgenossen agieren. Eine zentrale Stelle in Blys Eisenhans beschreibt die erste Begegnung mit der Frau, der der uneingeweihte Mann gegenübertritt um in ihr sein verlorenes Wesen zu finden. Die kluge Frau wird dankend ablehnen, weil sie vermutlich genug mit der Suche nach ihrem eigenen Wesen befasst ist. Die weniger kluge mag vielleicht in das unmögliche Unterfangen einwilligen und einen Pakt schließen, der die Grundlage für herrschende Strukturen immer aufs Neue zementiert. Wie sollen sie es auch anders wissen? Neben dem Bewusstein, dass den Menschen in seiner wahren Fülle wahrnimmt, mangelt es vor allem an lebenden Vorbildern, die glaubhafte Alternativen leben, ohne sich auf gesellschaftlich bedingte Stereotype zu beschränken, Frauen, sowohl Männer, die sich ihrer selbst bewusst sind. Dass dies das Ende herrschender Gesellschaftsstrukturen und eine radikale Umorientierung bedeuten würde, lässt sich problemlos hochrechnen. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass ein sich selbst erhaltendes System immer neue Wege findet, herrschende Strukturen aufrechtzuerhalten, sofern seine Akteure nicht bereit sind, jeder für sich und damit gemeinsam Neuland zu betreten.
Literatur:
Bernard, Cheryl und Schlaffer, Edit: „Liebesgeschichten aus dem Patriarchat. Von der übermäßigen Bereitschaft der Frauen, sich mit dem Vorhandenen zu arrangieren.“ Hamburg 1981
Wolf, Naomi: „Der Mythos Schönheit“. Hamburg 1992
Walter, Natascha: „Living Dolls. Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen.“ Frankfurt 2011
Wieck, Wilfried: „Männer lassen lieben. Die Sucht nach der Frau.“ Frankfurt 1990
Bly, Robert: „Eisenhans. Ein Buch über Männer.“ Hamburg 2005
Schmidt, Marie: „Wir sehen nicht, dass du es wirklich willst.“ In DIE ZEIT 03.03.2011
de Beauvoir, Simone: „ Das andere Geschlecht: Sitte und Sexus der Frau“ Hamburg 2010
von Braun, Christina und Stephan, Inge: „Gender@Wissen. Ein Handbuch der Gender-Theorien“. Köln 2005
Wieck, Wilfried: „Männer lassen lieben. Die Sucht nach der Frau.“ Frankfurt 1990
Bly, Robert: „Eisenhans. Ein Buch über Männer.“ Hamburg 2005
Schmidt, Marie: „Wir sehen nicht, dass du es wirklich willst.“ In DIE ZEIT 03.03.2011
de Beauvoir, Simone: „ Das andere Geschlecht: Sitte und Sexus der Frau“ Hamburg 2010
von Braun, Christina und Stephan, Inge: „Gender@Wissen. Ein Handbuch der Gender-Theorien“. Köln 2005
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